Susanne Piotter, Artefakt No. 41, 2022, Beton
Harriet Groß, Interferenz, 2023, Acryl auf Metallgaze, Draht (Detail).
Störung als Impulsgeber.
Die kleinen, fast handlichen, aus Beton gegossenen Objekte von Susanne Piotter, die den Titel Artefakte tragen, lassen an Miniaturen utopisch-futuristischer Architekturen denken, deren Originale heute vielleicht verlassen sind oder nicht mehr existieren, die vielleicht nie existiert haben. Ihre ins Nichts führenden Treppen, die offenen Dächer, die verschlossenen oder zerklüfteten Fassaden erinnern gleichsam an Architekturen, die im Entwurfsprozess verworfen wurden, da sie sich als unrealisierbar entpuppten.
Das Prozessuale und Wandelbare, das die Anschauung der Objekte kennzeichnet, bestimmt auch den Prozess ihrer Entstehung. Susanne Piotter denkt ihre Objekte nicht ausgehend von der finalen Erscheinung, sondern von der Negativform her, die sie aus Bausteinen und Styropor konstruiert und später mit flüssigem Beton ausgießt. Aus der Gussform löst sich nicht zwangsweise das fertige Objekt. Vielmehr sind viele der Artefakte aus zwei oder drei in Beton gegossenen Einzelteilen zusammengesetzt. Die Künstlerin probiert dabei so lange verschiedene Möglichkeiten aus, bis sie eine zufrieden stellende Lösung gefunden hat. Ihr Vorgehen ist eines, das Fehlschläge in Kauf nimmt, diese sogar von vornherein bewusst mit einplant.
(Auszug aus dem Katalogtext „Wie Grüße aus einer vergangenen Zukunft – Susanne Piotters Artefakte als Reflexionen über Architektur und städtebaulichen Wandel“, von Rahel Schrohe, 2022).
Harriet Groß’ Installation Interferenz zeichnet Phänomene der Verstärkung und Auslöschung auf, wie sie durch Phasenverschiebung bei visuellen und akustischen Wellen entstehen sobald diese auf Hindernisse treffen. Durch jede Art von Ordnungsraster - hier der aus Linien gewebten Metallgaze - werden nicht nur im physikalischen Bereich „Störungen“ erzeugt, sie beeinflussen alle unsere Wahrnehmungs- und Lernprozesse. Welche Rasterfilter durchlaufen unsere Eindrücke? Welche sintern bis in unser Gedächtnis? Welche Überlagerungen prägen unser Begreifen der Welt und unser zukünftiges Handeln? Die Interferenz von Ereignissen fordert eine Veränderung des Blickwinkels, wie es auch im Spiel mit den Lentikulardrucken thematisiert wird.
Das scheinbar starre System des Metallgitters wird hier bewußt widersprüchlich zur ersten Materialerwartung in weichen sich überlagernden Falten an der Wand befestigt. Die darauf locker gezeichneten Liniensysteme erzeugen je nach Perspektive und Lichteinfall eine Vertiefung ihrer Farbwirkung, wie Obertöne mit einem gewissen Rauschanteil. Ein visueller Rhythmus, ein Flirren entsteht und verwandelt die Gebilde zu Klanglandschaften. Im gesamten Ausstellungsraum wird so eine mehrstimmige Textur konkurrierender Ereignisse geschaffen. Drahtzeichnungen und Wellenschwingungen erzeugen wie die Saiten eines Instrumentes die Polyphonie eines dreidimensionalen Klangbildes im Betrachter. Interferenz als Partitur für Neues.
Susanne Piotter mit Ausbildungshintergrund Grafik- und Multimediadesign, hat an der Akademie der Bildenden Künste Maastricht (NL) Bühnenbild studiert. Ihre Arbeiten sind in öffentlichen Sammlungen wie der Kunstsammlung der Artothek der Landesbibliothek Berlin (ZLB), der Collection Otra feria de arte, Argentinien, Sammlung Mag. Alexandra Hanzl, MBA, Lichtenstein - The Princely Collections und der Sammlung ukb Unfallkrankenhaus Berlin vertreten und waren in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und Europa zu sehen.
Harriet Groß hat Medizin an der Freien Universität Berlin und Bildenden Kunst an der Hochschule der Künste Berlin und dem Royal College of Art in London studiert. Ihre Zeichnungen, Cutouts und Rauminstallationen sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten (u.a. dem Kupferstichkabinett Berlin, dem CGAC Santiago de Compostela, der Herzogin Amalia Bibliothek Weimar, dem Haus des Rundfunks Berlin). Regelmäßig werden sie in Einzel- und Gruppenausstellungen international gezeigt.
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