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A Walk on the Wild Side

Interview mit Maja Rohwetter – Miriam Bers für Axel Obiger

1. Maja Rohwetter, Dissassociative Disposition, oil on canvas, 160 x 120 cm, 2019.jpg

Maja Rohwetter, Dissassociative Disposition, oil on canvas, 160 x 120 cm, 2019

Miriam Bers: Beim Betrachten Deiner Werke fällt mir spontan der Song von Lou Reed, Take a Walk on the Wilde Side’ ein. Sie haben eine unglaubliche Dynamik und sprühen vor Energie. Der Mix aus einer ganz klassisch per Hand gefertigten Skizze oder Collage, die computeranimiert,  überarbeitet und in eine neue, eine virtuelle Dimension geführt wird um sich letztlich wieder in Öl auf Leinwand zu manifestieren, hat es in sich. Lost in Translation, eine Reise durch Raum und Zeit. 

 

M.B. Wie kamst Du vom Malen zum digitalen Bild?  

 

Maja Rohwetter: Die Initialzündung erlebte ich während einer Residency in Finnland 2000, die waren damals unvorstellbar gut ausgestattet und das berühmte „Nordic Light“ schuf eine Atmosphäre, in der mir alles sehr virtuell vorkam.  Da erschien es richtig, mein Fotomaterial digital zu collagieren als Startpunkt für meine Malerei. Später habe ich Landschaften und Szenarios in Computerspielen in meinen Bildern weiterverarbeitet – dann begann ich selbst mit dem Modellieren digitaler Welten.

 

M.B. Was bewegt Dich, was reizt Dich zwischen realer und Cyberwelt? 

 

M.R. Ich mag das Navigieren, das ziellose Herumstreifen in den Welten, das Konstruieren und Zerstören und vor allem Formen die durch Fehler entstehen und die der Realitätskonstruktion zugrunde liegende Struktur zutage treten lassen. Mich reizt das unkontrollierte im Künstlichen und auch die Flüchtigkeit des Virtuellen Bildes.

Malerei ist in ihrer Langsamkeit fast das Gegenteil davon, ist Materialisierung.  Ich mag das Handwerkliche und Kontemplative daran und den Eigenwillen des Materials, das was sich eben nicht digitalisieren lässt.

2. Maja Rohwetter, Pending Elevation, oil on canvas, 160 x 120 cm, 2019.jpg

Maja Rohwetter, Pending Elevation, oil on canvas, 160 x 120 cm, 2019

M.B. Deine Inhalte - immer wieder klingt die figürliche Welt an; skizzierst Du Landschaften,  welchem Pool entnimmst Du Deine Bildwelten? Deiner Fantasie, verwendest Du Found Footage, fotografische Vorlagen?  

 

M.R. Meine Bilder basieren auf Seherfahrungen, die ich gleichermaßen in der realen und der digitalen Welt gemacht habe. Ich nutze als Bildmaterial Fundstücke aus der realen Welt wie Fotos, Farbreste, und kombiniere sie mit Formen digitaler Herkunft, die ich am Computer modelliere oder ebenfalls irgendwo digital vorfinde.

Mich interessieren besonders solche Formen, die ich nicht eindeutig benennen oder identifizieren kann. In der Kombination ergeben sich dann Entsprechungen, Konvergenzen oder Irritationen und daraus entstehen dann die Bildideen.

 

M.B. Wie übersetzt Du die digitalen zurück in analoge Farben – wie funktioniert dieser Prozess bei Dir, was gefällt Dir daran? 

 

M.R. Mir gefällt das „Tiefenlicht“ der Monitorbilder, die ja durch Lichtmischung aus RGB entstehen - etwas was mich in meinem Malereistudium schon immer fasziniert hat. Ich mag die leichten Farbstiche, den Eindruck von Künstlichkeit, ein Sehnsuchtsgefühl. Maltechnisch setze ich das mit Ölmalerei mit eher magerem und dünnem Farbauftrag auf einem hellen Gessogrund um und verwende teilweise farbige Untermalungen. Farbe ist Licht. Das tolle an der Ölmalerei ist, dass ich einen weitaus größeren Farbraum zur Verfügung habe und auch mit Interfenrenzen von farbigem Licht arbeiten kann. Dazu kommt dann noch die Materialität der jeweiligen Farbe, ist sie matt, cremig, deckend, transparent, flüssig? 

 

M.B. Ziehst Du mitunter in Erwägung, computeranimierte Werke in Ausstellungen zu projizieren? 

 

M.R. Ja, das habe ich schon mehrfach getan. Zuletzt habe ich  mit dem finnischen Musiker Tuomo Väänänen zusammengearbeitet, mit dem ich gern einen Dialog aus Musik und Live-Animation realisieren würde. Im Moment konzentriere ich mich aber stärker auf Malerei,weil ich das Handwerkliche und Kontemplative daran liebe und den Eigenwillen des Materials, das was sich eben nicht digitalisieren lässt.

3. Maja Rohwetter, Hot Standby, oil on canvas, 100 x 80 cm, 2019.jpg

Maja Rohwetter, Hot Standby, oil on canvas, 100 x 80 cm, 2019

M.B. Wie entwickelst Du bereits ‚bestehende’ Bildmotive zu neuen Werken weiter? Arbeitest Du in Serien, oder kann man sie vielleicht als eine Art work in progress bezeichnen, oder als einen quasi performativen Akt, der den digitalisierten Zwischenstand eines Motivs aufgreift, der Dich neu inspiriert? 

 

M.R. Ich arbeite nie seriell in dem Sinne, dass parallel mehrere Bilder entstehen. Ein Bild ist eher eine Frage, die ich mir stelle und dann versuche zu beantworten. Daraus ergeben sich dann wieder neue Fragen, oder es ist noch etwas offengeblieben, dann folgt das nächste Bild, das diesen Aspekt nochmal aufgreift.  Wenn ich ein Bild einmal als fertig empfinde, verändere ich es nicht mehr, sondern mache eine neue Arbeit oder eine neue „Version“.  

Ich arbeite mit einer visuellen Materialsammlung, die ich in einem Transfer durch verschiedene Medien untersuche und weiterentwickle. Es ist eher wie ein Strom von Bildelementen, der ständig in Bewegung ist. Die einzelnen Arbeiten sind dann so etwas wie Momentaufnahmen von Konstellationen daraus. Es kann dabei auch eine Bildidee parallel im Computer, als Collage, Print oder Malerei existieren, sie wird sich aber natürlich immer medienimmanent verändern und ausformulieren.

 

M.B. In deinen jüngeren Arbeiten treten weniger geometrische Formen in den Vordergrund. Das vermeintliche Raumgefühl des Betrachters verliert sich in weniger definierbaren Strukturen. Verändert sich Deine Arbeit gerade? 

 

M.R. Der Gegensatz zwischen real und virtuell, organisch und künstlich, gestisch und konstruiert fasziniert mich nach wie vor. In meinen neueren Bildern gibt es weniger Formen aus dem Polygonmodelling, ich probiere gerade, die Künstlichkeit mit Mitteln darzustellen, die eher aus der 2D Computergrafik kommen. Es geht dabei stärker um die Herkunft und die innere Logik der jeweiligen Form, und auch um den Versuch, das Virtuelle im Realen und umgekehrt zu finden und auszuformulieren.  „Gemischte Gefühle“ ist der Titel eine Folge von Collagen, vielleicht setzen die Bilder auf einer emotionaleren, nichtsprachlichen Ebene an.

4. Maja Rohwetter, Gemischte Gefühle#7, Collage, 40 x 30 cm, 2020.jpg

Maja Rohwetter, Gemischte Gefühle #7, Collage, 40 x 30 cm, 2020

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